Nachtflug

Wir wollen (…) nicht alles Tun plötzlich jeden Sinn verlieren sehen.
Rivière in „Vol de Nuit“

Mit zwölf Jahren saß Saint-Exupéry erstmals selbst in einem Flugzeug. Er ließ sich zum Piloten ausbilden, flog als Pionier der Lüfte Weltrekorde, überlebte einige Abstürze – und fand doch mit 44 Jahren in einem Flugzeug den Tod. Saint-Exupéry schrieb 1943 mit dem „Kleinen Prinzen“ eines - mit über 80 Millionen Exemplaren – der meistverkauften Bücher der Welt. Und doch sah er sich als Berufspilot – und weniger als Schriftsteller. Das Fliegen bestimmte sein Leben, auch seine literarischen Werke. Seinen Durchbruch als Autor schaffte Saint-Exupéry 1930 mit dem Roman Vol de Nuit – Nachtflug.

Zwei Jahre arbeitete der Franzose selbst als Direktor der argentinischen Luftpost in Buenos Aires, in „Nachtflug“ verarbeitet er diese Zeit literarisch. Es ist die Zeit der 20er Jahre des vorherigen Jahrhunderts, in der das Flugzeug als Transportmittel gegen Eisenbahn und Schiff konkurriert. Das Fliegen verspricht ein kommerzieller Erfolg zu werden, doch noch birgt die faszinierende Technik auch viele Risiken. Noch ist die Technik nicht ausgereift, dennoch wird sie bereits benutzt. Besonders in der Nacht setzen die Luftfracht-Konzernbosse das Leben ihrer Piloten offen aufs Spiel. Für den Profit und den technischen Fortschritt.

In Saint-Expupérys Roman ist Fabien Corbière (Stephen Elzenbeck) der tragische Held, der als Luftfrachtpilot in düsterer Nacht während eines Gewitters um sein Leben kämpft. Seiner Frau Simone (Aline Schaupp) bleibt nur Bangen und Hoffen. Schließlich ist Corbières Tank fast leer, der Funkverkehr bricht ab – sein Kampf am Himmel wird immer aussichtsloser. Zunächst steht für Madame Rivière (Katja Schermaul) fest, dass sie als Luftfrachtkonzern-Chefin höheren Zielen verpflichtet ist – dem „Réglement“, der strengen Einhaltung des Flugplans und der Hingabe an eine Pflicht. Doch sie überkommen Zweifel. Wird sie vom „Réglement“ abweichen?

Wie viele Opfer legitimiert der Fortschritt? Matthias Brunner (Regie und Dramaturgie) bringt Antoine de Saint-Expupérys ewig junge Fragestellung auf die Theaterbühne. Wo ist der ethisch vertretbare Raum, jenseits von Technikhörigkeit und Technologie-Feindlichkeit? Wann verkehrt sich die Beherrschung der Natur? Oder wie es der Philosoph Max Horkheimer in seiner Kritik der instrumentellen Vernunft formuliert: ,,[...]Die Maschine hat den Piloten abgeworfen.“

Klaus Teichmann